Inhalt   Daten   Leben   Werke   Gespräche   Gedichte   Stationen   Winsen   Weimar   Goethe   Urteile   Dokumente   Karl   Literatur   Kontakt
Gespr.-Verzeichnis   Gsp. 1   Gsp. 2   Gsp. 3   Gsp. 4   Gsp. 5   Gsp. 6   Gsp. 7   Gsp. 8   Gsp. 9   Gsp. 10   Gsp. 11   Gsp. 12   Gsp. 13   Gsp. 14   Gsp. 15
Gsp. 16   Gsp. 17   Gsp. 18   Gsp. 19   Gsp. 20   Gsp. 21   Gsp. 22   Gsp. 23   Gsp. 24   Gsp. 25   Gsp. 26   Gsp. 27   Gsp. 28   Gsp. 29   Gsp. 30   Gsp. 31

Johann Peter Eckermann − Gespräche mit Goethe (20)

(Pessimismus und Gejammer der Dichter − Goethe spottet über «Lazarett-Poesie»)
Mittwoch den 24. September 1827.

Mit Goethe nach Berka. Bald nach acht Uhr fuhren wir ab; der Morgen war sehr schön. Die Straße geht anfänglich bergan, und da wir in der Natur nichts zu betrachten fanden, so sprach Goethe von literarischen Dingen.

Ein bekannter deutscher Dichter1) war dieser Tage durch Weimar gegangen und hatte Goethen sein Stammbuch gegeben. »Was darin für schwaches Zeug steht, glauben Sie nicht, sagte Goethe. Die Poeten schreiben alle, als wären sie krank und die ganze Welt ein Lazarett. Alle sprechen sie von dem Leiden und dem Jammer der Erde und von den Freuden des Jenseit[s], und unzufrieden, wie schon alle sind, hetzt einer den andern in noch größere Unzufriedenheit hinein. Das ist ein wahrer Missbrauch der Poesie, die uns doch eigentlich dazu gegeben ist, um die kleinen Zwiste des Lebens auszugleichen und den Menschen mit der Welt und seinem Zustand zufrieden zu machen. Aber die jetzige Generation fürchtet sich vor aller echten Kraft und nur bei der Schwäche ist es ihr gemütlich und poetisch zu Sinne.

Ich habe ein gutes Wort gefunden, fuhr Goethe fort, um diese Herren zu ärgern. Ich will ihre Poesie die Lazarett-Poesie nennen; dagegen die echt tyrtäische diejenige, die nicht bloß Schlachtlieder singt, sondern auch den Menschen mit Mut ausrüstet, die Kämpfe des Lebens zu bestehen.« [...]


1) Am 21. September 1827 hatte Goethe Besuch von dem romantischen Dessauer Dichter Wilhelm Müller (1794−1827) und dessen Frau erhalten.
S. a. Goethe über die Gedichte Uhlands: "Ich nahm den Band mit der besten Absicht zu Händen, allein ich stieß von vorne herein gleich auf so viele schwache und trübselige Gedichte, dass mir das Weiterlesen verleidet wurde." (Eckermann, Gespräche mit Goethe, 21. Oktober 1823)
Eckermann, Gespräche mit Goethe. An der gekennzeichneten Stelle gekürzt. Überschrift und Nummerierung vom Herausgeber eingefügt.

Literatur
Entstehung und Rezeption
der "Gespräche mit Goethe"
bilden einen Schwerpunkt der anregenden Biografie über den Schriftsteller Johann Peter Eckermann.
Eckermann-Biographie, 2014
Helmuth Hinkfoth
Eckermann
Goethes Gesprächspartner

Oben   Gespräche-Index   Inhalt   Kontakt