«Mein Verhältnis zu Goethe war eigentümlicher Art und sehr zarter Natur. Es war das des Schülers zum Meister, das des Sohnes zum Vater, das des Bildungsbedürftigen zum Bildungsreichen. Er zog mich in seine Kreise und ließ mich an den geistigen und leiblichen Genüssen eines höheren Daseins teilnehmen. Oft sah ich ihn nur alle acht Tage; [...] oft auch jeden Tag, wo ich mittags mit ihm, bald in größerer Gesellschaft, bald tete-à-tete zu Tisch zu sein das Glück hatte.»
Beide Männer sahen einen Gewinn in der Bekanntschaft des andern, sodass Eckermann den Umgang wiederholt als "liebevoll" charakterisierte (Unterhaltungen des ersten Bandes "Gespräche mit Goethe" aus dem Jahre 1823). Goethe hatte sofort erkannt, dass er in dem jungen, ihm so sehr geneigten Dichter die richtige Person gefunden hatte, mit deren Hilfe er sein Gesamtwerk würde ordnen können (s. z. B. die Gespräche vom 10., 11. und 19. Juni 1823 sowie vom 15. September 1823). Eckermann wiederum empfand für sein großes Vorbild tiefe Zuneigung und Ehrfurcht sowie grenzenlose Bewunderung. Ein paar Jahre später erhoffte er sich von seiner exzeptionellen Stellung darüber hinaus sogar persönlichen Ruhm: «Die Gespräche mit Goethe »[machen] das Glück meines Lebens [...] und [werden] meinen Namen über ganz Europa mit Ehren verbreiten [...].» (Eckermann in einem Brief an seine Verlobte Johanne Bertram vom 3. März 1826). Eckermann war bereits fast achtunddreißig Jahre alt, als seine liebevolle Hochschätzung für Goethe ihn im Sommer 1830 in einen erdrückenden Gewissenskonflikt darüber stürzte, ob er weiter für Goethe oder aber endlich am eigenen literarischen Fortkommen arbeiten sollte. Zur Vertiefung des Verhältnisses zwischen Goethe und Eckermann sei auf die Seite über Eckermanns Leben sowie auf die ausführliche Eckermann-Biografie aus dem Jahre 2014 hingewiesen.
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Es ist NICHT Eckermann,
dem Goethe auf dem Bild von Schmeller (1831) diktiert, sondern der Schreiber Johann August Friedrich John. Der hartnäckige Irrtum von Eckermann als "Goethes Sekretär"
Ungeachtet aller aktuellen Forschungsergebnisse wird Eckermann allenthalben auch heute noch nicht etwa als Schriftsteller und Vertrauter Goethes, sondern fälschlicherweise immer noch als "Goethes Sekretär" bezeichnet. Eckermann selber war über eine solche Herabsetzung erbost. Im Dezember 1838 schrieb er an den Verleger Brockhaus wegen eines zu seiner Person geplanten Lexikoneintrags:
«Man hat zwar [...] öffentlich gesagt, ich sei Goethes Sekretär gewesen; allein daran ist kein wahres Wort, und rührt ein solches Gerede von Personen her, die sehr schlecht unterrichtet waren u. mein eigentliches Verhältnis zu Goethe nicht kannten.»
In diesem Haus wohnte | von 1823 bis 1831 der Schriftsteller | Johann Peter Eckermann | (1792 — 1854) | Weggefährte Goethes | und Verfasser der Gespräche mit Goethe.
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«Niemand hat einen Begriff, wie groß Goethe ist.»
(Eckermann, 7.1.1830)
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«Man kann diesen außerordentlichen Geist und Menschen Goethe mit Recht einem vielseitigen Diamanten vergleichen, der nach jeder Richtung hin eine andere Farbe spiegelt.»
(Eckermann, Gespräche mit Goethe, Vorrede)
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«Ich habe eine Abneigung gegen Menschen, die nichts bewundern; denn ich habe zeit meines Lebens alles bewundert.»
(Goethe am 8.5.1831 zu Frédéric Soret über die Verehrung, die Eckermann ihm entgegenbrachte.)
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«[Goethe] hat mir [...] gesagt, welchen Gewinn er sich von Ihrer Mitwirkung verspricht und dass er nun auch noch manches Neue zu vollenden hofft.»
(Der preußische Staatsrat Schultz zu Eckermann; Eckermann, Gespräche mit Goethe, 2. Oktober 1823)
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«Goethe war [...] derjenige unter den Dichtern, zu dem ich täglich als meinem untrüglichen Leitstern hinaufblickte, dessen Aussprüche mit meiner Denkungsweise in Harmonie standen und mich auf einen immer höheren Punkt der Ansicht stellten [...] und gegen den meine innige Liebe und Verehrung fast leidenschaftlicher Natur war.»
(Eckermann, Gespräche mit Goethe, Einleitung)
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«Goethe war 14 Tage nicht wohl, ist jedoch jetzt völlig wieder hergestellt. Gestern nachmittag schoss ich in seinem Garten mit einem Baschkirenbogen. Goethe selbst schoss zweimal. Ich hatte große Freude darüber. Ich schoss einen Pfeil in seine Fensterlade, der nicht wieder herauszubringen war, und den wir haben stecken lassen.»
(Eckermann in einem Brief an seine Verlobte Johanne Bertram, 2. Mai 1825)
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In dem 1709 erbauten Hause wohnte Goethe von 1782 bis 1789 zur Miete. Ab Juni 1792 bewohnte er es erneut, zunächst als Dienstwohnung, dann, nachdem sein Freund, Herzog Carl August von Sachsen-
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zum Geschenk gemacht hatte, als Eigentum bis zu seinem Tode am 22.3.1832. Von seiner Wohnung in der Brauhausgasse, der damaligen Deinhardtsgasse, hatte Eckermann es nur ein paar Schritte bis zu Goethes Haus am Frauenplan.
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Goethes Haus in Weimar am Frauenplan, ca. 1994 |
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«Mit Liebe schieden wir auseinander; ich im hohen Grade glücklich, denn aus jedem seiner Worte sprach Wohlwollen und ich fühlte, dass er es überaus gut mit mir im Sinne habe.»
(Eckermann über seine erste Begegnung mit Goethe; Eckermann, Gespräche mit Goethe, 10. Juni 1823)
«Es ist nicht gut, [...] dass Sie so rasch vorübergehen, vielmehr wird es besser sein, dass wir einander etwas näher kommen. Ich wünsche Sie mehr zu sehen und zu sprechen.»
(Goethe zu Eckermann; Eckermann, Gespräche mit Goethe, 11. Juni 1823)
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Goethes Haus in Weimar am Frauenplan, Rückseite mit Garten
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«Auch wünschte ich, [...] dass Sie in Jena nicht bloß wenige Tage oder Wochen verweilten, sondern dass Sie sich für den ganzen Sommer dort häuslich einrichteten, bis ich gegen den Herbst von Marienbad zurückkomme. Ich habe bereits gestern wegen einer Wohnung und dergleichen geschrieben, damit Ihnen alles bequem und angenehm werde.»
(Goethe zu Eckermann; Eckermann, Gespräche mit Goethe, 11. Juni 1823)
"Nach einem beiderseitigen fröhlichen Begrüßen fing Goethe sogleich an, über meine Angelegenheit zu reden. «Ich muss geradeheraus sagen,» begann er, «ich wünsche, dass Sie diesen Winter bei mir in Weimar bleiben.» Dies waren seine ersten Worte, dann ging er näher ein und fuhr fort: «In der Poesie und Kritik steht es mit Ihnen aufs Beste, Sie haben darin ein natürliches Fundament; das ist Ihr Metier, woran Sie sich zu halten haben und welches Ihnen auch sehr bald eine tüchtige Existenz zuwege bringen wird.»"
(Eckermann, Gespräche mit Goethe, 15. September 1823, nach Goethes mehrwöchigem Aufenthalt in Böhmen im Sommer 1823)
«Ich war beglückt, Goethen wieder nahe zu sein und ihn wieder reden zu hören, und ich fühlte mich ihm mit meinem ganzen Innern hingegeben. Wenn ich nur dich habe und haben kann, dachte ich, so wird mir alles Übrige recht sein.»
(Eckermann nach Goethes mehrwöchigem Aufenthalt in Marienbad und Karlsbad im Sommer 1823; Eckermann, Gespräche mit Goethe, 15. September 1823)
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«Heute geht ein gar feiner junger Mann von hier ab, mit Namen Eckermann.»
(Goethe an Carl Ludwig von Knebel, 22. Juni 1823)
«Von nun an sollen Sie mir der getreue Eckart heißen.»
(Goethes Duzfreund Friedrich Zelter an Eckermann, 2.12.1830, als Ausdruck der Erleichterung nach dessen Eilnachricht, der 81-jährige Goethe sei von seiner, wie man fürchtete, lebensbedrohlichen Krankheit weitgehend genesen.)
«Der getreue Eckart ist mir von großer Beihülfe [...] und bleibt wegen fördernder Teilnahme ganz unschätzbar.»
(Goethe über Eckermann an Friedrich Zelter, 14.12.1830, unter Bezugnahme auf dessen o. a. Brief an Eckermann v. 2.12.1830)
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«Herrn Eckermann
wünscht zu Tische zu sehen d 30 Aug 1824 G. » |
«Da ich heute um 11. Uhr Verhinderung habe
ersuche Herrn Dr. Eckermann morgen Mittwoch um genannte Stunde sich bey mir einzufinden. Weimar d. 12. Aprl. 1825 G » |
«Herr Dr. Eckermann wird
ersucht, zu beliebiger Stunde diesen Morgen auf einen Augenblick bey mir zu erschei- nen. W. den 25. May 1825. G » |
«Haben Sie die Güte, mein bester Docktor,
beykommende schon bekannte Ge- dichte nochmals durchzugehen, die voranliegenden neueren einzu- ordnen, damit es sich zum Ganzen schicke. Faust folgt hierauf! Ein frohes Wiedersehen! W. d. 30 Nov. 1830 Goethe » |
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«Eckermann schleppt, wie eine Ameise, meine einzelnen Gedichte zusammen;
ohne ihn wäre ich nie dazu gekommen.» (Goethe an Christoph Friedrich Ludwig Schultz, 8.3.1824)
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"Göthe zollt Dir für Deine Güte gegen ihn nichts weiter als Ehre, an mich oder an Dein künftiges bürgerliches Glück denkt er nicht, er lässt sich Deine Güte höchlich gefallen und ist Dir dennoch nicht einmal dankbar dafür."
(Eckermanns Verlobte Johanne Bertram in einem Brief an Eckermann am 30.1.1827)
"Nebenbei gab der junge Goethe mir 20 Rth. von seinem Vater, welches ich fast zu gütig fand, indem ich zwar diesen ganzen Sommer viel bei Goethe gesessen und getrunken, aber keinen Federstrich getan habe." (Eckermann in einem Brief an seine Verlobte Johanne Bertram am 21.10.1827)
"Unbegreiflich ist's und bleibt's für mich, dass Göthe nicht besser für Deine feste und sichere Existenz sorgen kann." (Eckermanns Verlobte Johanne Bertram in einem Brief an Eckermann am 1.3.1828)
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Eckermann (hinten, 2. von links) im Kreise der Goethe-Familie
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«Ich will Ihnen etwas sagen [...], wenn Ihnen vielleicht von anderen Orten her literarische Anträge gemacht werden sollten, so lehnen Sie solche ab; [...] denn da Sie einmal mit mir verbunden sind, so möchte ich nicht gerne, dass Sie auch zu anderen ein Verhältnis hätten.»
(Goethe zu Eckermann; Eckermann, Gespräche mit Goethe, 24. November 1823)
«Ich [habe] keinen anderen Lebenszweck [...], als der deutschen Literatur nützlich zu sein.»
(Eckermann zum preußischen Staatsrat Schultz; Eckermann, Gespräche mit Goethe, 2. Oktober 1823)
«Oft bin ich wochenlang für Goethe beschäftigt.»
(Eckermann in einem Brief an seine Verlobte Johanne Bertram am 18. August 1825)
«Sie selbst aber drücke ich zu meinem Herzen, und verharre in den Gesinnungen der höchsten Verehrung und Liebe, wo ich auch sei, ganz der Ihrige.»
(Eckermann in einem Brief an Goethe aus Genf vom 12. September 1830; in "Gespräche mit Goethe")
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Goethe und Eckermann gemeinsam unterwegs
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Über Goethes Tod«Der Tod hatte Achtung vor [Goethe] gehabt. Nicht mit gewaltsamer Hand hatte er das Geistige vom Irdischen geschieden, kaum mit einem Finger schien er ihn berührt, ja, er schien ihm nur von Ferne gewinkt zu haben.»
(Eckermann an einen Freund über Goethes Tod, 3.4.1832. Der vollständige Brief ist in der Anthologie Am Abend ein Stündchen bei Goethe enthalten.)
«Am andern Morgen nach Goethes Tode ergriff mich eine tiefe Sehnsucht, seine irdische Hülle noch einmal zu sehen. Sein treuer Diener Friedrich schloss mir das Zimmer auf, wo man ihn hingelegt hatte. Auf dem Rücken ausgestreckt, ruhte er wie ein Schlafender; tiefer Friede und Festigkeit waltete auf den Zügen seines erhaben-edlen Gesichts. Die mächtige Stirn schien noch Gedanken zu hegen. Ich hatte das Verlangen nach einer Locke von seinen Haaren, doch die Ehrfurcht verhinderte mich, sie ihm abzuschneiden. Der Körper lag nackend in ein weißes Bettuch gehüllet, große Eisstücke hatte man in einiger Nähe umhergestellt, um ihn frisch zu erhalten so lange als möglich. Friedrich schlug das Tuch auseinander, und ich erstaunte über die göttliche Pracht dieser Glieder. Die Brust überaus mächtig, breit und gewölbt; Arme und Schenkel voll und sanft muskulös; die Füße zierlich und von der reinsten Form; und nirgends am ganzen Körper eine Spur von Fettigkeit, oder Abmagerung und Verfall. Ein vollkommener Mensch lag in großer Schönheit vor mir, und das Entzücken, das ich darüber empfand, ließ mich auf Augenblicke vergessen, dass der unsterbliche Geist eine solche Hülle verlassen. Ich legte meine Hand auf sein Herz, − es war überall eine tiefe Stille, − und ich wendete mich abwärts, um meinen verhaltenen Tränen freien Lauf zu lassen.»
(Eckermann, Gespräche mit Goethe, Schlusszeilen des 2. Bandes, datiert nach "Anfangs März 1832." mit "Einige Tage später." Als Goethe am 22. März 1832 im Alter von 82 Jahren starb, war Eckermann 39 Jahre alt.
Mehr über Goethes Tod, die Todesumstände und die Trauerfeierlichkeiten enthält die einschlägige Seite aus den Gesprächen mit Goethe sowie vor allem die oben erwähnte Eckermann-Biografie.) ***
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