Eckermann
Goethes Gesprächspartner Eine anregende Biografie
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Am Haken
des Lebens Eckermanns Leben
in einer wundervollen novellenartigen Erzählung |
Goethe,
dessen Vertrauter und späterer Herausgeber seines literarischen Nachlasses Eckermann war, sagte über den ihm ergebenen norddeutschen Schriftsteller: Er sei – «ein gar guter, feiner, verständiger Mensch» (an Chr. L. F. Schultz, 11.6.1823) – sein «Trost in dieser verwirrten Einöde» (an Ottilie v. Goethe, 27.6.1828) – der «vorzüglich gute und brave Eckermann» (an Schlosser, 28.5.1830) – ein «geprüfter Haus- und Seelenfreund» (an Willemer, 26.9.1830) – ein «treuer Haus- und Studienfreund» (an Willemer, 8.10.1830) «Eckermann schleppt, wie eine Ameise, meine einzelnen Gedichte zusammen; ohne ihn wäre ich nie dazu gekommen.» (an Chr. L. F. Schultz, 1824) «Den guten Eckermann hätt' ich Ihnen näher bekannt gewünscht. Das Problematische an ihm löst sich auf, wenn man erkennt, daß er eine einfach reine Seele ist, die mit sich und der Welt ebenfalls gern rein seyn möchte. Wie wenige jedoch gelangen dazu! Ein Wesen wie das seinige kann sich nur nach und nach offenbaren» (an Marianne von Willemer, 9.11.1830) «Der getreue Eckart ist mir von großer Beihülfe. Reinen und redlichen Gesinnungen treu, wächst er täglich an Kenntnis, Ein- und Übersicht und bleibt, wegen fördernder Teilnahme, ganz unschätzbar.» (an Friedrich Zelter, 14.12.1830) «Eckermann [...] ist [...] vorzüglich die Ursache, daß ich den Faust fortsetze, daß die zwei ersten Akte des zweiten Teils beinah fertig sind.» (Gespräch m. Kanzler von Müller, 8.6.1830) «Der verständige gute Eckermann ist mir [...] von besonderer Hülfe, auch von zutraulicher Aussicht auf die Zukunft.» (an Marianne von Willemer, 7.6.1831)
Marianne von Willemer,
Goethes heimliche Liebe und enge Seelenvertraute, begabt, klug und einfühlsam, schrieb an den greisen Freund in Weimar: «Herr Dr. Eckermann [...] mag etwas Scheues und Zurückhaltendes in seinem Wesen haben.» [...] Er «hat (für mich vielleicht nur) etwas Rätselhaftes.» (an Goethe, 27.10.1830, nach einem Besuch Eckermanns im Hause Willemer in Frankfurt)
«Daß Herr Doctor Eckermann wieder in Ihrer Nähe ist, beruhigt mich ungemein; seine Gegenwart wird Sie gewiß bei dem Andrange der mannigfachen Anforderungen erleichtern können.» (an Goethe, 11.1.1831)
Ottilie von Goethe,
geistreiche, aber unstete, labile und launenhafte Frau von Goethes Sohn August, bekannte:
«Ich hätte nicht für möglich gehalten, daß man so ohne alle Beimischung seiner eigenen Individualität hören, auffassen und niederschreiben könnte, wie Eckermann es getan hat in den Gesprächen mit meinem Schwiegervater. Im allgemeinen war uns, als hörte man seine Worte und Stimme.» (1836) * * *
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Heinrich Heine,
zungenfertiger Poet und flegeliger Spötter, verletzliche Diva und unbeherrschter Zyniker, aufmüpfiger Träumer und am Leben gescheiterter ewiger Außenseiter, rieb sich bereits an dem Dichter Eckermann, als der noch weithin unbekannt war.
«Ein Herr Eckermann hat mal ernsthaft versichert: Hätte der liebe Gott bei Erschaffung der Welt zu Goethe gesagt: 'Lieber Goethe, ich bin jetzt Gottlob! fertig, ich habe jetzt alles erschaffen bis auf die Vögel und die Bäume, und du tätest mir eine Liebe, wenn du statt meiner diese Bagatellen noch erschaffen wolltest', – so würde Goethe ebenso gut diese Tiere und Gewächse im Geiste der übrigen Schöpfung, nämlich die Vögel mit Federn und die Bäume grün erschaffen haben.
Später folgten weitere Verunglimpfungen Eckermanns durch Heine, etwa in der "Romantischen Schule" (1835) und im "Tannhäuser III" (1836). Die weit verbreitete Meinung, Heine habe Eckermann explizit "Goethes Papagei" genannt, ist, wie die oben wiedergegebene Passage aus den "Reisebildern" zeigt, nicht korrekt, auch wenn die Worte in etwa in diese Richtung weisen. Heines Spott aus dem Jahre 1829 bezieht sich auf einen Gedanken Eckermanns in dessen Büchlein "Beyträge zur Poesie" aus dem Jahre 1823 (Impr. 1824), worin er Goethes Fähigkeit rühmte, die Dinge und die Natur vielgestaltig in ihrer jeweiligen Art treffend wiederzugeben, wie etwa das Äußere der Vögel. Die Äußerungen Heines zielten keineswegs auf die Gespräche mit Goethe ab, denn die erschienen erst 1836. Eckermann dürften die Verhöhnungen seiner Person durch Heine schon bald zur Kenntnis gelangt sein. Erst nach Vollendung seiner "Gespräche mit Goethe" 1836 jedoch äußerte er sich zu den Werken Heines. In einem Brief vom 14. Juni 1836 an Heines Mentor, den bekannten Publizisten Varnhagen von Ense, fragte er in feinsinniger Geringschätzung: "Was muss ich lesen, um von Heine einen günstigen Begriff zu bekommen?" Zum Verhältnis Heine − Goethe und Heine − Eckermann s. die Untersuchung von Helmuth Hinkfoth in: Eckermann, Goethes Gesprächspartner (2014).
Emil Kuh,
österreichischer Schriftsteller, Journalist sowie Freund und Biograf Friedrich Hebbels, beklagte:
«Eine Weile war es in Deutschland guter Ton gewesen, mit lächelnder Achtung über Eckermann zu sprechen, die Nennung seines Namens ironisch einzuleiten oder der vorübergleitenden Anerkennung seiner Verdienste ein mutwilliges Zischen nachzusenden [...]. Diese Unart, dieses unwürdige Benehmen schreibt sich seit dem Augenblick her, als Heinrich Heine über Eckermann sich lustig machte. Ich zitiere die betreffende Stelle aus den »Reisebildern« [...] des gewissenlosen Dichters. [...]» (1876; s. dazu oben den Abschnitt über Heine)
Friedrich Hebbel
«Eckermann erscheint mir keineswegs als ein irgend bedeutender Mensch, denn in diesem Fall hätten ihm in seinem Alter viele bedeutende Dinge, die ihm von Goethe überliefert wurden, unmöglich neu sein können. [...] Er kommt mir vor, wie Adam, dem Gott der Herr seinen Hauch einbläst. Und dennoch hat dieser Mann sich in ein angenehmes und ehrenvolles Verhältnis zu Leben und Welt gesetzt [...].» (an Elise Lensing, 13.9.1837, in offenkundig weitgehender Unkenntnis der Tatsachen und Hintergründe)
Friedrich Nietzsche
«Man lese nur Eckermann und frage sich, ob je ein Mensch in Deutschland so weit in einer edlen Form gekommen ist.» (1870/76) «Wenn man von Goethes Schriften absieht und namentlich von Goethes Unterhaltungen mit Eckermann, dem besten deutschen Buche, das es gibt: was bleibt eigentlich von der deutschen Prosaliteratur übrig, das es verdiente, wieder und wieder gelesen zu werden?» (Menschliches, Allzumenschliches II, Der Wanderer und sein Schatten, 1878) [Da sind die] «paar guten Bücher, die von diesem Jahrhundert übrig bleiben werden, richtiger: die mit ihren Ästen über dies Jahrhundert hinwegreichen, als Bäume, welche nicht in ihm ihre Wurzeln haben − ich meine das Memorial von St. Helena und Goethes Gespräche mit Eckermann.» (Nachgelassene Schriften, Viertes Buch, Der Wert der Zukunft, I. Europa im 19. und 20. Jahrhundert)
Zeitgenossen über den alten Eckermann
William Marshall
Eckermann «war [...] eine liebenswürdige, selbstlose, kindlich-naive Seele, und mein
Vater behauptete von ihm, er habe nie gelogen, und der hat ihn gekannt wie wenige. Nur wo Eckermann Falschheit und Niedertracht witterte, konnte er ungehalten, ja zornig werden; nichts verachtete er mehr als Schleicher, Klätscher und Zwischenträger. [...] Besonders scharf trat bei ihm [...] auch die Abneigung gegen dünkelhafte Arroganz und eingebildete Schulmeisterei hervor.»
«Ein gutes Herz hatte Eckermann wie selten einer, gut bis zur Schwäche. Abgesehen davon, dass er seine armen Angehörigen nach Kräften unterstützte, half er jedem Bittenden, wo und wie er konnte und oft über seine bescheidenen Mittel hinaus. Wie wurde er von Schauspielern der geringeren Art, Dichterlingen, kurz: von verkannten Genies jeder Sorte um allerlei Gefälligkeiten angegangen, um Geld angeborgt und angebettelt, und da er nur zu willfährig war, so lässt sich denken, dass er [...] bis an das Ende seiner Tage selbst nie aus Geldverlegenheiten herauskam.» «Eckermann war ein geborener Naturforscher, das hatte Goethe wohl erkannt, als er ihm den Rat gab: 'Werfen Sie sich auf die Natur, Sie sind dafür geboren! [...]'.» «Was Eckermann als Dichter geleistet hat, ist mäßig, aber in seinen Gesprächen mit Goethe hat er ein monumentum aere perennius hinterlassen, für das die Nation und die Menschheit ihm zu ewigem Dank verpflichtet sind. Ingrimm, tiefer Ingrimm erfasst mich immer, wenn ich an die hämischen Angriffe und gemeinen Spötteleien denke, mit denen gewisse Leute Eckermann begeiferten. Bessere Dichter sind einige von ihnen ohne Zweifel, aber ebenso sicher auch schlechtere Charaktere.» (William Marshall, 1845-1907, Zoologe, Kamerad von Eckermanns Sohn Karl, 1883)
Adolf Stahr
«Als ich Eckermann vor drei Jahren in Weimar kennenlernte, machte er mir trotz einer gewissen Absonderlichkeit in seiner äußeren Erscheinung den Eindruck eines Menschen, zu dem man sich, ungeachtet seiner Zurückhaltung, augenblicklich hingezogen fühlt, weil diese Zurückhaltung nicht aus irgendwelchem Hochmut, sondern vielmehr aus Bescheidenheit entsprang. Ein ziemlich starker Kopf auf einer kaum mittelgroßen Figur zeigte in Profil und Augenaufschlag etwas Falkenartiges, während das Gesicht, en face gesehen, große Güte und herzliches Wohlwollen als den vorwaltenden charakteristischen Ausdruck aufwies. Seine unsichere Art, sich zu bewegen, sein lang herabhängendes braunes, sehr stark mit Silber vermischtes Haar, die stille Zutraulichkeit [...], das Weltfremde, Kindliche seines ganzen Wesens haben mich oft an die liebenswürdige Figur des Goldsmithschen Pfarrers von Wakefield erinnert, mit dem er auch den in großer Beschränkung zufriedenen Sinn gemeinsam hatte. [...]
Ein Wort Eckermanns [...] ist mir noch in Erinnerung geblieben. "Wir sind so gewohnt", sagte er einmal, "unsere Menschen-Maßstäbe an alles Erschaffene zu legen, dass wir ebenso ungerecht gegen die Tiere werden, als wir es meist gegeneinander sind. [...]".»
(Adolf Stahr, Schriftsteller, 1854. Stahr besuchte Eckermann im Frühsommer 1851)
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Christian Morgenstern
«Nichts kann mich mehr aufbringen, als wie allezeit hier und dort über den Eckermann geredet wird. Immer ist ein halb mitleidiges Lächeln dabei, gleich als handele es sich um eine durchaus subalterne Natur, der es jeder seiner gönnerhaften Bespotter unvergleichlich zuvorgetan haben würde. Man hängt sich an die Einfalt mancher seiner Fragen und bedenkt nicht, dass er oft nur frug, um Goethen zu locken und anzureizen, man wirft ihm eigene Unbedeutendheit vor und übersieht die Fülle feiner Beobachtungen und Bemerkungen, die anmutigen Berichte über seine Liebhabereien, den langen Brief aus Genf und überall den Sinn und Takt fürs Wesentliche, der uns niemals mit Tagesgeschwätz langweilt, sondern ihn fortwährend bei der Würde seiner einzigartigen Aufgabe festhält.» Er war «in seinen Maßen ein ganzer Kerl, ein Vorbild, allen denen zu empfehlen, denen es um ihre Bildung wahrhaft ernst ist.» (1909/1918)
Klabund (Alfred Henschke)
«Von allen Männern, die [Goethes] Weg kreuzten, ist für uns Nachlebende der getreue Eckermann der gewichtigste, der [...] in seinen Gesprächen mit Goethe uns die lebendigste und persönlichste Darstellung seines Wesens und Wirkens hinterlassen hat.» (Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde, 1920)
Johann Christian Parisius,
Superintendent in Winsen (Luhe), Förderer des jungen Eckermann, urteilte über den begabten Schüler: «Meine besondere Aufmerksamkeit hat er dadurch auf sich gezogen, daß er bei vorzüglichen Fähigkeiten des Geistes eine besondere Güte des Herzens offenbarte. [...] Schon früh zeigte er Sinn für alles Wahre, Gute und Schöne und ihm fehlten nur die Mittel, sich Wissenschaft und Kunst so anzueignen, wie er es wünschte. [...] Seine Lehrer teilten ihm gerne mit, was sie hatten, um seine Wiss- und Lernbegierde zu befriedigen. Mit einem Worte - er war der Liebling aller, die ihn kannten, und jeder bedauerte nur, dass ihm an diesem seinem Geburtsorte nicht weiter zur Enwicklung seiner schönen Anlagen geholfen werden konnte. [...] In jedem Fache der Wissenschaft und Kunst wird er viel leisten, sobald ihm Hilfe verschafft wird.» (28.11.1817)
Eine anschauliche Darstellung der Person Eckermanns, seines Lebens und seines Wirkens für Goethe enthält das biografische Werk Eckermann. Goethes Gesprächspartner.
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