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Johann Peter Eckermann - Gedichte

Der Knabe.

Der Blitz durchzuckte die finstere Nacht,
Der Donner rollte, der Donner kracht'.
"Das hat wo eingeschlagen!"
So hör' ich rufen und klagen.

Und eilends mach ich mich aus dem Haus;
Da überfällt mich Angst und Graus:
Der Himmel im feurigen Schwefelschein,
Und Geistergelispel flüstert drein.

Und siehe, aus einem prächtigen Haus,
Da wühlet ein dicker Qualm heraus.
"Da hat es eingeschlagen!"
So hör' ich nun rufen und sagen.

Da wogt es hinein mit hastigem Lauf,
Und dränget und woget zur Treppe hinauf.
Da fasst sie ein mächtiges Wunder:
Was kommt da von oben herunter?!

Es leuchtet in feurigem Schwefelschein,
Und Geistergelispel flüstert drein;
Es kommen, mit langsamem Schritte,
Vier Weiber herunter die Tritte.

Die tragen ein Laken, weiß und groß,
Bei allen vier Ecken, und nackt und bloß
Liegt drauf ein Knab' in der Mitten;
So kommen die Geister geschritten.

Das Volk erschrickt und staunt sie an:
"O Weiber, was habt ihr dem Kinde getan?"
Die schreiten mit ihrer Beute davon,
Und sprechen im schaurigen Geisterton:

"Der Blitz durchzuckte die finstere Nacht,
Der Donner rollte, der Donner kracht';
Und was aus dem Bett' wir getragen,
Hier liegt es, vom Blitze erschlagen.

Betrogener Vater, betrogener Mann!
Wir tragen den Knaben als Opfer davon.
Der Böse setzte ihn in das Haus,
Wir Geister, wir tragen ihn wieder hinaus!

Betrogener Vater, betrogener Mann!
Dein Weib hat die schändlichste Sünde getan;
Sie trieb mit dem Heiligsten frechen Spott,
Es folget die Rache, ihr nahet der Tod!"

Der Donner rollte, der Donner kracht',
Die Geister, sie fahren durch Luft und Nacht;
Sie kommen und schwinden mit schrecklichem Ton,
Und haben das Opfer und ziehen davon.


Literatur
Eine Anthologie mit einigen poetischen Perlen Eckermanns und den Glanzlichtern aus den "Gesprächen mit Goethe": Eckermann-Anthologie
Helmuth Hinkfoth (Hg.)
Erzählungen, Gedichte,
Briefe und Reflexionen
Johann Peter Eckermanns